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Lebensphasenorientiertes Personalmanagement:

Potenziale von Mitarbeitern über 45 effektiv nutzen

Sinkende Geburtenzahlen und steigende Lebenserwartungen kennzeichnen die gegenwärtige Alterssituation in Deutschland. Nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes (2009) wird die deutsche Bevölkerung bis 2060 von heute knapp 82 Mio. auf 65 bis 70 Mio. Menschen schrumpfen. Gleichzeitig wird es erhebliche Veränderungen der Altersstruktur geben, da insbesondere der Anteil Jüngerer im Verhältnis zu den Älteren deutlich abnehmen wird.

Dieser demographische Wandel wird in den nächsten Jahren weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt haben. Laut einer Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB, 2010) werden bis zum Jahr 2025 mehr als 3,5 Mio. der derzeit knapp 45 Mio. Erwerbsfähigen wegfallen. Schon jetzt gibt es einen deutlich spür-baren Mangel an jungen Fachkräften, und der Effekt der alternden Belegschaften wird sich weiter verschärfen. Bald werden die 50- bis 60-Jährigen sogar die stärkste Beschäftigungsgruppe darstellen und maßgeblich zum Erfolg ihrer Unternehmen beitragen.

Doch auf die größer werdende Bedeutung der Förderung und Bindung älterer Mitarbeiter ist die deutsche Wirtschaft bisher nicht ausreichend vorbereitet. Anstatt für Ältere gezielte Fördermaßnahmen anzubieten, werden in zahlreichen Unternehmen Altersteilzeitmodelle und Vorruhestandsregelungen genutzt, da viele Führungskräfte von einer verminderten Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter ausgehen. Die Altersforschung zeigt jedoch, dass diese Defizithypothese falsch ist. Keineswegs ist es so, dass alle Fähigkeiten mit dem Alter nachlassen. Erfahrungswissen, Qualitätsbewusstsein und Zuverlässigkeit sind Beispiele für Kompetenzen, die mit dem Alter sogar zunehmen. Beim Älterwerden ändert sich somit nicht das Leistungsniveau, sondern nur die Art der Leistungen.

Um dies zu berücksichtigen, werden Personalverantwortliche und Führungskräfte zukünftig deutlich ressourcenorientierter als bisher agieren und die Potenziale der Mitarbeitergruppe „45+“ effektiver nutzen müssen.
Die vorhandenen Ressourcen der erfahrenen Mitarbeiter werden in deutschen Unter-nehmen bisher nur unzureichend ausgeschöpft. Das dargestellte Lebensphasenmodell (s. Abbildung 1) macht deutlich, dass sich die Anstrengungen der Personalverantwortlichen derzeit fast ausschließlich auf die Zielgruppe von Mitarbeitern bis einschließlich 45 Jahren konzentrieren. Laut einer Studie der Commerzbank (2009) bereiten sich 85% der Unternehmen auf den demographischen Wandel vor, indem sie jüngere Beschäftigte weiterbilden. Dagegen wird Weiterbildung für Ältere nur in 44% der 4.000 befragten Betriebe angeboten, und dies auch noch oft themenbeschränkt. Bei dieser Mitarbeitergruppe stehen vornehmlich Maßnahmen zum Erhalt der physischen Leistungsfähigkeit wie Gesundheitsförderung oder die ergono-mische Gestaltung der Arbeitsplätze im Fokus. Die Wichtigkeit eines lebensphasen-orientierten Personalmanagements scheinen viele Personalverantwortliche insofern bisher noch sehr zurückhaltend zu betrachten. Dabei hätte eine gezielte Förderung der Potenziale älterer Mitarbeiter besonders angesichts des Fachkräftemangels zu-gleich auch einen monetären Nutzen, da Kosten sowohl für Frühpensionierung und Abfindung Älterer als auch für Suche, Einarbeitung und Fortbildung von Nachwuchs-kräften gespart werden können.

Im Rahmen des lebensphasenorientierten Personalmanagements gibt es somit zahl-reiche Handlungsfelder für Unternehmen. Einen ersten wichtigen Schritt kann eine betriebliche Altersstrukturanalyse darstellen. Mit entsprechenden, über regionale IHKs kostenlos angebotenen Instrumenten können Unternehmen überprüfen, wie die Altersverteilung in ihren Unternehmen derzeit gestaltet ist und wie sie sich perspek-tivisch entwickeln wird. Bei einer zu homogenen Altersstruktur würde beispielsweise die Gefahr bestehen, dass viele Beschäftigte innerhalb eines kurzen Zeitraums in den Ruhestand gehen und das Unternehmen dadurch wertvolles Wissen verliert. Wird ein solches Dilemma jedoch frühzeitig erkannt, können Betriebe durch Verände-rungen ihrer Personalakquisitionsstrategien sowie Verrentungspraxis diesem Trend entgegenwirken, so dass z.B. keine Altersgruppe zu stark überrepräsentiert ist.

Ein weiterer Ansatzpunkt sind individuell angepasste Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter jeden Alters. Viele Effekte des Älterwerdens lassen sich durch gezielte Trainings reduzieren oder ausgleichen. Dabei sollte möglichst früh – im Sinne des lebenslangen Lernens – Prävention anstatt Schadensbegrenzung angestrebt wer-den. Wenn Mitarbeiter jahrzehntelang im selben Beruf arbeiten ohne sich weiterzu-bilden, fällt es ihnen viel schwerer, ein anderes Aufgabengebiet zu übernehmen oder mit neuen Methoden umzugehen, als wenn sie über ihr gesamtes Berufsleben hin-weg immer wieder Neues gelernt haben. Auch wenn Fördermaßnahmen idealer-weise für die ganze Belegschaft angeboten werden sollten, muss trotzdem beachtet werden, dass sich Ältere und Jüngere in ihrem Lernverhalten unterscheiden. Um bei Älteren positive Effekte zu erzielen, sollte möglichst viel Vorwissen einbezogen und die praktische Anwendbarkeit verdeutlicht werden. Zudem sind aktivierende Lern-methoden vorteilhafter als eine zu starke Dozentensteuerung, da klassische Schüler-Lehrer-Situationen von Älteren oft als störend empfunden werden.

Auch eine systematische Wissensweitergabe wird entscheidend zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Wenn langjährige Mitarbeiter pensioniert werden, geht oft viel unternehmensspezifisches Fachwissen verloren, falls die Mitarbeiter ihre besonderen Kompetenzen zuvor nicht an jüngere Kollegen weitervermittelt haben. Um einen Transfer von „Know-how“ zu ermöglichen, kann dieses Fachwissen beispielsweise in virtuellen Datenbanken archiviert oder im Rahmen von Tandem- oder Mentoringmodellen direkt an jüngere Kollegen weitergegeben werden. Die

Preisgabe ihres Wissens stellt heute für Ältere jedoch oft ein gefühltes Risiko dar, da sie mit ihrem „Wissensmonopol“ ihre Position im Unternehmen sichern wollen. Inso-fern sind ein hohes Maß an Transparenz und Information notwendig, um die Beden-ken Älterer zu beseitigen und die Wertschätzung ihres Erfahrungswissens deutlich zu machen.
Eine zusätzliche Möglichkeit des Wissenstransfers bietet die Arbeit in alters-gemischten Teams. Häufig wird in Betrieben heutzutage eine altersbezogene Beleg-schaftssegmentierung beobachtet, im Rahmen derer jüngere Mitarbeiter eher körper-lich schwere Arbeiten erledigen oder mit neuen Produkten und Prozessen umgehen, während Ältere eher für Aufgaben eingesetzt werden, die viel Erfahrungswissen benötigen.

Eine solche Segmentierung kann jedoch negative Konsequenzen nach sich ziehen. So kann es aufgrund des fehlenden Anforderungswechsels zu starker Spezialisierung und Lernungewohnheit sowie teilweise zu körperlicher oder geistiger Über- oder Unterforderung kommen, so dass auch Folgen wie Burn-Out-Syndrom oder körperliche Beschwerden keine Seltenheit sind. In altersgemischten Teams wer-den diese Effekte weitgehend vermieden und es entstehen durch die Mischung unterschiedlicher Qualifikations- und Erfahrungshintergründe wertvolle Synergie-effekte. Jüngere Mitarbeiter können im direkten Arbeitskontakt von der Expertise und langen Berufserfahrung der erfahrenen Kollegen profitieren. Gleichzeitig steigen durch die Wertschätzung, die den Älteren und ihrem Wissen entgegengebracht wird, deren Zufriedenheit sowie Motivation weiterzuarbeiten, anstatt in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen.

Ein weiteres Handlungsfeld für das lebensphasenorientierte Personalmanagement stellt die Jobrotation dar. Wiederholte Arbeitsplatzwechsel führen zu einer Kompetenzerweiterung und sind sowohl für Ältere als auch für Jüngere sinnvoll. Auch wenn Ältere möglicherweise aufgrund körperlicher Anforderungen in ihrem gewohnten Arbeitsfeld nicht mehr die erforderlichen Leistungen erbringen, können sie oft aufgrund ihres fundierten Wissens, ihres umfassenden Netzwerks und ihres großen Erfahrungsschatzes in koordinierenden oder planerischen Tätigkeiten wert-volle Arbeit leisten.

Neben diesen und weiteren Optionen für ein lebensphasen- und ressourcen-orientiertes Personalmanagement können nicht nur gezielt Potenziale von Arbeit-nehmern jeden Alters gefördert werden. Mit dieser Förderung geht zudem die Bin-dung langjähriger Mitarbeiter einher, sodass deren Erfahrungswissen und ihre viel-fältigen Stärken dem Unternehmen erhalten bleiben. Dabei sollten ältere Mitarbeiter – wenn möglich – auch mehr entsprechend ihrer Möglichkeiten, Talente und Wün-sche eingesetzt werden. Durch eine stärkere Betonung bzw. Entwicklung ihrer Kompetenzen können ältere Wissensträger in Kombination mit der Dynamik jüngerer Kollegen messbar zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.

Zusammenfassend ist angesichts des schon heute stark fortschreitenden demogra-phischen Wandels bei Personalverantwortlichen und Führungskräften ein grund-legender Einstellungswandel dringend erforderlich: Es gilt zu lernen, alle unterschied-lichen Lebensphasen von Mitarbeitern wertzuschätzen, ihre Kompetenzen (an-) zu erkennen und Ressourcen individuell zu fördern. Maßnahmen für ein lebensphasen-orientiertes Personalmanagement brauchen dabei häufig gar nicht neu erfunden zu werden. Oft müssen in Unternehmen nur vorhandene Konzepte zielgruppenadäquat ausgebaut bzw. angepasst werden.

Abbildung 1:

Quellen:
• Commerzbank AG (2009): Abschied vom Jugendwahn? – Unternehmerische Strategien für den demographischen Wandel. Frankfurt am Main 2009.
• Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2010): IAB Kurzbericht – Arbeitsmarktbilanz bis 2025 – Demographie gibt die Richtung vor. Nürnberg 2010.
• Statistisches Bundesamt (2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060 – 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden 2009.

Quelle: Artikel für die Verbandszeitschrift „Perspektiven“ (Ausgabe Juni 2011) des Verbands „Die Führungskräfte“

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